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Verantwortung

Dirk Steffens zum Thema Artenvielfalt

Ohne Artenvielfalt könne es keine Menschen geben, sagt der viel gereiste TV-Moderator und Biodiversitätsbotschafter der deutschen Entwicklungspolitik. Wie wir unser täglich wachsendes Wissen über Fakten und Zusammenhänge nutzen müssen, um das weltweite Artensterben aufzuhalten, darüber spricht er in diesem Interview.

Warum ist Artenvielfalt so wichtig für Mensch und Natur?

Ein Blick aus dem Weltraum auf unsere kleine blaue Murmel macht deutlich: Wir fliegen mit dem Raumschiff Erde durch ein endloses, schwarzes und lebensfeindliches Nichts. Und wie jedes bemannte Raumschiff hat auch unseres ein Lebenserhaltungssystem. Das versorgt uns mit Atemluft, Trinkwasser und Nahrung. Geht dieses System kaputt, ist die Besatzung verloren. Unsere Lebensmaschine besteht aus Millionen von Bauteilen, die jeweils unterschiedliche Funktionen erfüllen. Bäume schenken uns beispielsweise Atemluft, Mikroben bauen Schadstoffe im Wasser ab, Regenwürmer machen unsere Äcker fruchtbarer. Weil zurzeit aber schätzungsweise 150 Arten pro Tag aussterben, ist das ungefähr so, als würde Captain Kirks Truppe jeden Tag 150 Bauteile von der Enterprise kaputtschlagen. Das geht vielleicht eine Weile gut, aber nicht sehr lange.

Dirk Steffens ist quasi überall auf der Welt "zu Hause" – sein "Basislager" ist allerdings in Hamburg. Seit 2005 steht der Wissenschaftsjournalist vor der Kamera und bereist den Globus für Wissenschafts-, Natur- und Reiseformate. Steffens ist außerdem Biodiversitätsbotschafter der deutschen Entwicklungspolitik.

Wie wirkt sich der Verlust von Arten auf unser Leben aus bzw. woran zeigt sich, dass biologische Vielfalt verloren geht?

Der Weltbiodiversitätsrat der Vereinten Nationen hat die Zahl der aktuell existierenden Arten mit etwa acht Millionen angegeben und befürchtet, dass bis Ende dieses Jahrhunderts etwa eine Million davon aussterben könnten. Das wäre dann das sechste Massenaussterben in der Geschichte der Erde und in etwa so dramatisch wie der Einschlag des Asteroiden vor 66 Millionen Jahren, als unter anderem die Dinosaurier ausstarben. Wenn eine Million Arten verschwinden, könnte das ganze Ökosystem Erde kippen, was in Folge noch mehr Arten töten würde. Das wäre das Ende der menschlichen Zivilisation. Klingt dramatisch, ich weiß, aber ohne Artenvielfalt kann es keine Menschen geben.

Rund 50 Prozent der Flächen in Deutschland werden landwirtschaftlich genutzt. Was sind die Folgen dieser Nutzung?

Artenvielfalt kann es nur dort geben, wo es auch intakte Natur gibt. Der Einsatz von Pestiziden und Herbiziden, Monokulturen, schweren Maschinen, Überdüngung und Übernutzung haben die Artenvielfalt in Deutschland kollabieren lassen. Ungefähr Dreiviertel unserer Fluginsekten sind in den vergangenen drei Jahrzehnten verschwunden. Dabei brauchen wir die kleinen Tiere dringend, um unsere Nutzpflanzen zu bestäuben. Die Bäuerinnen und Bauern sind also eigentlich die wichtigsten Artenschützer:innen in Deutschland.

Das Programm Landwirtschaft für Artenvielfalt möchte die Biodiversität in der Agrarlandschaft fördern. Welche Maßnahmen halten Sie für sinnvoll, um die Artenvielfalt zu fördern? Was müsste mehr gemacht werden?

Für das Artensterben gibt es viele verschiedene Gründe und leider können wir nicht alle Probleme gleichzeitig lösen. Deshalb halte ich es für sinnvoll, dass wir uns zunächst auf den größten Artenkiller konzentrieren. Und das ist die Vernichtung von Lebensraum bzw. die Zerstörung der Wildnis. Die Forschung fordert inzwischen, ein Drittel unseres Planeten unter Schutz zu stellen, damit das System Erde insgesamt funktionsfähig bleibt. Wenn wir dieses Problem lösen, verschaffen wir uns Zeit, für alle anderen Herausforderungen.

Was kann jede:r Einzelne tun, um die Artenvielfalt zu erhalten?

Wir alle treffen jeden Tag viele Entscheidungen: Wie heize ich, wie bewege ich mich fort, womit kleide ich mich, wie lege ich mein Geld an und vor allem: Was esse ich. Wann immer wir uns für Nachhaltigkeit entscheiden können, sollten wir es tun.